Michael Mittermeier - Paranoid - 14.04.2004 - Bonn

Pantheon, Bonn

Nach vielen ausverkauften Vorstellungen von “Back to life” hatte Michael Mittermeier eine einjährige Pause gemacht und mehrere Monate in New York gelebt. Das war nun nicht unbedingt der Ort, an dem man stressfrei entspannen konnte. Es war aber ein Ort, an dem man neue Eindrücke bekommen und unglaubliche Sachen erleben konnte. Darum griff ich sofort zu, als es Karten für das ziemlich frische “Paranoid” gab, denn neben den neuen Erfahrungen von Michael Mittermeier, die mich interessierten, war auch der Veranstaltungsort, das Bonner Pantheon, für ihn ungewöhnlich klein. Kein Vergleich mit den Riesensälen, in denen er sonst auftrat.

Im Pantheon war eine Dekoration an den Bühnenrändern angebracht. Auf weißen Stoff-Fahnen war links ein großes, rotes “P” und rechts eine roter, chinesischer Drache zu sehen. Keine Ahnung, was das bedeuten sollte. P? Pichael Pitterpeier? Meine Begleitung erkannte das “P” sofort als Kürzel für “Paranoid”, aber der Drache blieb rätselhaft.

Kurz nach 20 Uhr begann das Programm laut mit dem Lied “Paranoid” von Black Sabbath. Michael Mittermeier kam auf die mit luftigen, weißen Tüchern dekorierte Bühne, und es gab es einen dicken Vorapplaus. Unsere im Vorfeld gestellte Frage, ob er mitreisende Fans habe, erübrigte sich damit fast. Es waren jedenfalls viele überzeugte Mittermeier-Anhänger im Publikum. Er selbst stand in verwaschener Jeans und mit Jesus-T-Shirt ziemlich normal auf der Bühne und begann gleich von seiner Zeit in New York zu reden. Dabei zeigte er die gewohnt jungenhaften Bewegungen, die erstaunten Kulleraugen, seine alterslose Jugendlichkeit, wirkte aber trotzdem insgesamt etwas ruhiger. Die Pause und New York hatten ihm anscheinend etwas von seiner Aufgekratzheit und unbeschwerten Art genommen, was ihm aber nicht schadete. Vielleicht war es auch das Alter, das ihn nachdenklicher gemacht hatte, denn er verriet sofort, dass seine Frau “graue Sackhaare” an ihm entdeckt habe. Das konnte einen schon nachdenklich machen.

Außerdem hatte er in New York neben kiffenden, mexikanischen Kakerlaken auch wieder die Zeugen Jehovas getroffen, die dort ihr Hauptquartier hatten. Zwischen Deutschland und Amerika hin- und herspringend, verglich und erzählte er, verband Geschichten und kehrte immer wieder zu Schlüsselwörtern zurück, die beim Publikum dann sofort Gelächter auslösten.

Er ärgerte sich über den Namen “Kevin”, der eigentlich nur vom Namen “Dörte” übertroffen wurde, und fragte sich, warum Frauen keine Western mochten, aber alle Kevin Costner in “Der mit dem Wolf tanzt” angesehen hatten. Auch die Politik spielte im neuen Programm eine größere Rolle und wurde nicht nur witzig behandelt. Er war härter und politischer geworden, milderte aber alles immer sofort mit seiner sympathischen, leichten Art ab.

Seine Interaktion mit dem Publikum war sehr gut und brachte lebendige Stimmung. Allerdings hatten einige jüngere Zuschauer nicht sehr viel zu lachen, weil sie speziell bei Sexual-Themen immer wieder freundlich angesprochen wurden. Blöd, wenn man dann die Eltern dabei hat und nicht zeigen will, wie viel man von den Andeutungen schon versteht! Insgesamt war das Publikum sowieso etwas still. Alle hatten Spaß und lachten laut, aber die Beteiligung war doch eher mager. Na, wer traut sich auch öffentlich zuzugeben, dass er mal Schröder gewählt hat?

Michael Mittermeier wunderte sich, dass die sonst so sprachfreudigen Rheinländer stumm blieben, imitierte passend, aber nicht gerade nett den rheinischen Tonfall, röhrte: “Mi-scha-elll!” in die Gegend, und ich fragte mich, in welchen Kneipen er zu welchen Uhrzeiten auf solche Leute stieß.

Sehr witzig wurde es, als er fragte, welche der anwesenden Damen ein Tatoo im unteren Rückenbereich habe, ein sogenanntes “Arschgeweih”. Ein junger Mann deutete auf eine Dame, die vor ihm saß, war aber zum Erstaunen von Michael Mittermeier nicht ihr Freund, denn der saß neben ihr. Sie behauptete sogar, den jungen Mann nicht zu kennen, was noch mehr Erstaunen hervorrief, denn woher wusste er das dann? Ich hatte vorher gesehen, dass ihr Freund auf sie gezeigt hatte und der junge Mann dahinter das einfach übernommen hatte, aber es war in dieser Situation wirklich witzig. Michael Mittermeier nahm die Gelegenheit wahr, einige “Jäger-Geweih-Mischpilz”-Witze loszulassen, die nicht jugendfrei waren, lautes Gelächter auslösten und das Sexualleben des Paares in Zukunft mit Sicherheit beeinflussen werden. Allerdings stellte sich am Schluss heraus, dass die Dame an der betreffenden Stelle kein Geweih, sondern einen Panther hatte.

Ich hatte den ganzen Abend über viel Spaß, musste oft laut lachen und fand das neue Programm und die Art wie Michael Mittermeier es brachte, sehr gut. Allerdings waren mir die gegrölten, rheinischen Einwürfe irgendwann zu viel und auch die mexikanischen Kakerlaken fand ich ab der dritten Wiederholung überflüssig. Dafür war mein persönliches Highlight eine Erzählung, wie ein kleiner, junger Kater den Weg in den Haushalt des Katzenhassers Michael Mittermeier gefunden hatte.

Zunächst schilderte er sein persönliches Verhältnis zu Katzen sehr distanziert, ging dann, als es um die Begegnung mit dem Kater ging, in eine liebevolle Erzählweise über, die sich in richtigen Stolz über dessen Fähigkeiten steigerte. Da wurde die erste Benutzung des Katzenklos zum ausführlich geschilderten Erlebnis. Eine Ähnlichkeit mit dem Verhalten junger Eltern war nicht zu verleugnen und sicher auch beabsichtigt. Sehr rührend.

Bei ausführlichen Beschreibungen über einen nicht jugendfreien Alienfilm, in dem Männern durch die entsprechende Körper-Vorrichtung das Hirn ausgesaugt wurde, konnte Michael Mittermeier den Vorgang am Beispiel eines Bananen-Shakes mit Strohhalm anschaulich verdeutlichen. Sehr überzeugend war dabei der Unterschied zwischen ‘saugen’ und ‘pusten’. Allerdings wollten sich keine Frauen per Handzeichen melden, die schon mal einen Orgasmus vorgetäuscht hatten. Das lag aber nicht unbedingt am Rheinländer, würde ich sagen.

Der Schluss des Abends waren zitierte Bibelstellen, die bei höllenrotem Bühnenlicht vorgelesen und mit kurzen Sätzen, die nochmal das gesamte Programm einbanden, kommentiert wurden. Ich fand es von der Idee gut, aber trotzdem noch nicht ganz gelungen. Die Kommentare waren oft nicht treffend und auch nicht wirklich witzig. Die Stimmung wurde zwar wie geplant leise, aber das sentimentale Gefühl, das sich einstellen müsste, blieb weg. Jedenfalls bei mir, und ich bin da eigentlich immer sehr anfällig. Dafür wurde mir aber plötzlich klar, was der Drache auf der seitlichen Deko bedeuten konnte. Michael Mittermeier zitierte: Apokalypse, Kapitel 12, Vers 7: “Und es entbrannte ein Kampf im Himmel. Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen.”

Eine übliche Zugabe gab es nicht, stattdessen kam er auf die Bühne zurück und beantwortete spontane Fragen der Zuschauer. Die hatten gemischte Interessen: Ob es die Katze wirklich gäbe, was aus den beiden New Yorker Zeugen Jehovas geworden wäre, und wohin er in Urlaub fahren würde. Irgendwie nett, dass er das so freundlich beantwortete und auch selber von sich aus erzählte, wenn gerade keine Fragen auftauchten. Eine Art Afterglow auf Distanz, aber leider gab es vom Publikum nicht die wirklich interessanten Fragen. Mir fiel allerdings auch keine ein.

Warum das Programm “Paranoid” hieß, war mir übrigens nicht ganz klar, auch wenn das Wort mehrfach aufgetaucht war. Das wollte ich aber nicht fragen, weil ich dann vermutlich sehr blöd rübergekommen wäre. Wobei offen bleibt, ob ich nicht das gefragt hätte, was sich alle fragten, aber nicht trauten, es laut zu tun. Es gab einen großen Endapplaus, Michael Mittermeier ging ganz einfach zur Seite ab, und war weg.

FAZIT: Ein witziges, lohnenswertes Programm, das von Michael Mittermeiers lockerer Art lebt und sehr viel Spaß macht. Kleine, noch vorhandene Längen werden sicher im Verlauf der weiteren Shows gestrafft. Auch mit dem etwas ruhigeren, “reiferen” Bühnenauftritt ist die vertraute Action und Erzählweise von Michael Mittermeier zu erkennen. Sehr sympathisch, mit treffenden Erzählungen und der Fähigkeit, das Publikum spontan witzig einzubeziehen. Klasse!