Hape Kerkeling - Wieder auf Tour - 12.06.2003 - Köln

Gürzenich, Köln

Hape Kerkeling auf Tour, und ich hatte Karten für den Auftritt in Köln! Ich freute mich wie blöde, denn die Auswirkungen seiner ersten, unglaublichen “Total normal”-Show waren bei mir bis heute zu merken. Ich war seitdem oft nicht mehr ganz ernst zu nehmen, liebte den feinen, leisen Humor seiner Filme und wünschte mir eine knallrote Mitropa-Kaffeemaschine. Obwohl Hape gegenüber Prominenten und Publikum oft unverschämt frech war, behielt er immer sein Augenzwinkern und war sensibel genug aufzuhören, ehe es zu viel wurde. Er wurde nicht distanzlos und führte niemanden respektlos vor. Ich fand ihn einfach klasse und war sehr gespannt auf meinen ersten Live-Abend mit ihm.

Mein Sitzplatz lag in der zweiten Reihe, aber etwas vom Mittelgang entfernt. Ich wollte so viel wie möglich von seiner Mimik mitbekommen, aber nicht unbedingt leicht erreichbar sein und damit Opfer seiner Spielchen werden. Riskant blieb es auch in Reihe zwei, aber als ich den großen Saal im Gürzenich betrat, war ich froh, nicht aus Sicherheitsdenken einen Platz weit hinten gewählt zu haben. Schätzungsweise 1000 Leute passten rein, und die letzten Reihen waren dann doch ziemlich weit von der Bühne entfernt. Eigentlich zu weit, wie ich fand, denn es ist nur das halbe Vergnügen, wenn man Hape Kerkeling weit entfernt auf der Bühne stehen sieht, aber nichts von seiner Mimik mitbekommt.

Es war kurz nach 20 Uhr, als im noch hellen Saal ein lautes: “SO!!” ertönte. Alle zuckten erschreckt zusammen und grinsten los, denn das war eindeutig die Stimme von Hape. Aber wo war er? Suchende Blicke, denn er war nicht auf der Bühne, sondern stand im blauen Kittel und mit Perücke im Mittelgang und war der Hausmeister. Die letzten Leute eilten in den Saal, er ließ sich ihre Eintrittskarten zeigen und freute sich laut über ihr Zuspätkommen: “Schön peinlich. Kann jeder sehen!” Die Zuschauer im Saal hatten sich auf ihren Stühlen so gedreht, dass sie Hape zusehen konnten, und in allen Gesichtern war ein offenes, freudiges Grinsen zu sehen. Eine superschöne Stimmung und in der Luft die gespannte Erwartung, was noch kommen würde.

Dem Hausmeister fehlten in der Kasse 42 Mark 60, und ich freute mich ganz nebenbei, dass Hape anscheinend auch immer noch die Mark im Kopf hatte. Den ganzen Abend über nannte er öfter mal DM-Preise, die er dann sehr abenteuerlich in Euro umrechnete. Zunächst suchte er aber den Schuldigen für den Fehlbetrag und brüllte mitten im Satz: “Wo gucken SIE denn hin?? Hallo, Freundchen! Das ist LIVE, nicht Fernsehen!!” Das Saalpublikum lachte brüllend los, der Hausmeister schob seine großen Zähne im Mund zurecht und suchte einen Beamten, der den ganzen Abend über stehen sollte, um den fehlenden Betrag durch einen nicht besetzten Platz auszugleichen.

Inzwischen hatte er schon dreimal seinen Namen genannt, da ihm aber immer die Zähne und damit die Aussprache verrutscht waren, hatte ich ihn nicht eindeutig verstanden. Als er wieder mitten im Satz nur noch Zischlaute herausbrachte und die Zuschauer losquietschten, schimpfte er sauer: “Man lacht nisch über Gebischträger!!” und löste einen neuen Lacher aus. Es war wirklich superwitzig und ein toller, lockerer Opener. Ich freute mich, wenn er einen Zuschauer ansprach, denn das wurde durch seine Schlagfertigkeit jedes Mal richtig witzig, hoffte aber gleichzeitig, dass es nicht mir passieren würde.

Hape kam ganz nah, und ich musste liebevoll-sentimental grinsen, denn obwohl ich ihn zum ersten Mal “in echt” sah, war er mir völlig vertraut und gehörte schon so viele Jahre irgendwie zu meinem Leben. Seit den ersten Hannilein-Auftritten beobachte ich mit Interesse seine berufliche Entwicklung, habe oft Tränen gelacht bei seinen Shows oder Moderationen, aber auch gerührt geguckt, wenn er ganz feine, leise Stellen in seinen Filmen hatte. Ein sehr sensibler Mensch, der einen Blick für die Kleinigkeiten hat und bei dem auch die eigentlich unsympathischen Personen so gezeigt werden, dass bei all ihrem blöden Verhalten immer auch ihre Verletzlichkeit zu sehen ist. Mitten im Lachen könnte ich manchmal losheulen, weil es so traurig ist.

Hape-Kerkeling-Filme mag ich besonders wegen ihrer kleinen, feinen Stellen, von denen mir viele erst beim zweiten oder dritten Gucken auffallen, in die Show an diesem Abend ging ich natürlich, um möglichst laut zu lachen. Jetzt zahlte es sich aus, dass ich nicht den Platz am Mittelgang in der ersten Reihe gewählt hatte, denn Frau Rothkamp, die unvorsichtigerweise dort saß, wurde Ansprechpartnerin des Abends. Außerdem wurde ihr angedroht, dass sie später noch auf die Bühne müsse, was ihr sichtlich nicht gefiel.

Der Hausmeister ging ab, kurz darauf kam Hape in schwarzer Cordhose und rotem Hemd auf die Bühne und erhielt beeindruckend viel Applaus. Was dann folgte, war ein sehr kurzweiliger, abwechslungsreicher Abend. Es gab gesungene Darbietungen von Grand Prix Liedern, die in den 80er Jahren auf den letzten Plätzen gelandet waren. Erboster Ausruf von Hape mitten in einem finnischen Lied: “Sie spüren doch, dass es ein depressives Lied ist. Quietschen Sie doch da nicht rein!!”

Als ältere, bronchitische Holländerin verkleidet sang er einen Titel, der damals auf dem vorletzten Platz gelandet war. Aber trotz seiner schleimlösenden Huster zwischendrin, sang er so klasse, dass der Song mit ihm als Interpreten wohl weit vorne gelandet wäre. Überhaupt kann Hape ja wirklich gut singen. Mittendrin dachte ich, dass er beim echten Grand Prix wahrscheinlich wirklich gute Chancen hätte, wenn er die richtige Mischung aus gutem Gesang mit ein bisschen Spaß bringen würde. Er würde Grand Prix SPIELEN, mit allem was dazugehört, es aber nicht lächerlich machen wollen.

Hape schlüpfte auch in die Rolle der Holländerin Evje van Dampen, einer Seminarleiterin für Eheberatung. Alle Zuschauer im Saal waren anscheinend wegen ihrer Eheprobleme gekommen. Witzigerweise hatten mein Gatte und ich am nächsten Tag Hochzeitstag und das seit Jahren für diesen Tag übliche Abendessen diesmal gegen den Abend bei Hape Kerkeling getauscht. Wir feierten den Hochzeitstag sozusagen mit Hape. Leider saßen wir im rechten Block, für den laut Evje alles vorbei war und die Scheidung lief. Tja, Pech gehabt. Trotzdem wiederholten wir laut mit den gesamten Anwesenden: “Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit!” Seltsamerweise wurde Hape genau bei diesem Thema auf mich aufmerksam, “die sympathische Dame in der zweiten Reihe” (vermutlich hatte ich ihn die ganze Zeit so glücklich angestrahlt), und ich musste auf die Frage antworten, ob ich der Meinung bin, dass Männer generell wenig reden, und ob ich finde, dass alle Männer Schweine sind. Natürlich bejahte ich beides, woraufhin ich mir später von meinem Gatten anhören musste, ich hätte betonen sollen, dass MEIN Mann kein Schwein ist. Aber wir saßen ja sowieso im Scheidungsblock, war also egal. Übrigens war ich kein bisschen verwundert, als Hape mich ansprach, denn wir kannten uns ja schon so lange. Die Vorstellung, dass ich in Wahrheit völlig fremd für ihn bin, ist seltsam. Er begleitet mich schon so lange in meinem Leben und merkt es nicht mal.

Eine ganze Zigarettenlänge lang spielte Hape später einen Homosexuellen, der in einer Bäckerei wartete und vor sich hin quatschte. Grandios! Es war überzeichnet, aber trotzdem so echt und überzeugend, dass ich mir diesen Menschen genau vorstellen konnte. Sehr witzig und klasse war. “Boah, isch glaaaaube es nääscht!”

Sehr gut fand ich alle Gesangsnummern, am Flügel begleitet vom Pianisten Volker Griepenstroh, der aber wenig in die Show eingebunden war und eigentlich nur auf die Bühne kam, wenn es ein Lied gab. Auch wenn es bei Hapes Gesang immer witzig wurde, war sehr viel Können und voller Einsatz da. Wirklich klasse! Er sang als zwei Italiener ein Duett und konnte wirklich überzeugend erotisch und sexy singen. Kaum zu glauben, dass diese Stimme und der coole Typ mit der Sonnenbrille kurz vorher noch Siegfried Schwäbli war! Nur tanzen konnte er nicht, aber für dieses Unperfekte mag ich ihn auch.

Ganz stark war Hape jedes Mal, wenn es um spontane Sachen mit dem Publikum ging. Er hatte das Spiel perfekt drauf, war nett, wurde pampig und wechselte blitzschnell wieder ins Lachen. Immer wieder wurden Leute, die er vorher angesprochen hatte, gezielt eingebunden, “Frau Rothkamp, Sie sind gleich dran!”, oder angeschnauzt: “Haben Sie das jetzt mitbekommen? Sie gucken ja ganz woanders hin!”. Ein Zuschauer wurde zum Glückshasen ernannt und durfte Hape anfassen: “Sie entscheiden wo.” Er wählte die Haare. Feigling.

Die Show war plötzlich zu Ende, Frau Rothkamp, die von Hape als Howard Carpendale-Verschnitt umwerfend erotisch angebaggert wurde, sollte mit hinter die Bühne kommen und weigerte sich. Ich wäre peinlicherweise sofort glückstrahlend mitgegangen. Hape versuchte es mit der Masche: “Ich bin ein großer Star, dem alle Frauen zu Füßen liegen”, und schließlich zischte er: “Sei keine Zicke! Du kriegst auch Geld!!” und hatte sie erstaunlicherweise überzeugt.

Er kam alleine zurück, verabschiedete sich, und der gesamte Saal stand wie auf Kommando WUTSCH! zu Standing Ovation auf. Wow, das war beeindruckend! Unter viel Applaus ging er ab, kam aber natürlich zu einer Zugabe zurück. Es war ein Wiener Weihnachtslied, sehr wianerisch romantisch gesungen, mit extrem kontrastreichem Text dazu.

Erneut Standing Ovation, dann kam ein letztes Gesangstück. “Steck dir deine Sorgen an den Hut!”, gesungen zunächst deutsch, dann in vielen weiteren Sprachen, die alle überzeugend echt klangen, es aber ziemlich sicher nicht waren. Holländisch, finnisch, italienisch, dänisch, tschechisch, arabisch... es war klasse. Das Publikum klatschte begeistert und breit lachend mit und hatte supergute Laune. Eine letzte Verbeugung, viel Applaus, dann war Hape weg und das Saallicht ging an.

Nachher konnte ich ihn noch kurz sehen. Er sah etwas müde aus und war genauso, wie ich es mir gedacht hatte. Ruhig, freundlich, normal und sehr, sehr nett. Keiner, der auch im Privatleben ständig als Siegfried Schwäbli durch die Gegend rennt, sondern ein ruhiger, nachdenklicher, sensibler und doch sehr humorvoller Mensch. Ich mag ihn einfach. Auch in Zukunft werde ich, sobald mein glücklicherweise toleranter Mann den Ruf: “Anette, Hape ist im Fernsehen!!” ausstößt, alles fallen lassen, unverzüglich ins Wohnzimmer eilen, mich auf das Sofa fallen lassen, und mit liebevollem Grinsen zusehen, was er mir zu zeigen hat. Für mein Leben bleibt er weiterhin ein wichtiger Mensch, bei dem ich mich immer freue, ihn zu sehen.

Und wenn er mit einer Show wieder in der Nähe ist, gehe ich ganz bestimmt hin. Es hat großen Spaß gemacht ihn live zu erleben und war ein wirklich kurzweiliger Abend voller Gelächter. Aber in die erste Reihe gehe ich beim nächsten Mal auch nicht. Sicher ist sicher. Hurz!