This Maag - Fondue für alle - 16.01.2014 - Bonn
Pantheon-Casino, Bonn
Es ist so weit. Brüssel hat verkündet, dass Europa der Schweiz beitritt, und aus diesem Grund reist der Integrationsprüfungsbeauftragte This Maag aus der Schweiz an, um zu testen, ob die Europäer integrationsfähig sind. Diesmal sind die Bonner dran.
Die sitzen im Pantheon Casino, einer kleinen Spielstätte, die sich wenige Schritte vom Pantheon-Theater entfernt, in den Kellerräumen des hohen Bonn-Centers befindet. Ein kleiner, verwinkelter, betonlastiger und trotzdem äußerst charmanter Ort, der Platz für einige Zuschauer und eine kleine Bühne hat. Der ideale Ort für Nischenprogramme und Newcomer, sofern sie nicht eine große Bühne für ihr Programm benötigen. Bei This Maag passt sogar ein ganzer Berg drauf, der zwar recht handlich ausfällt, aber trotzdem sofort eine zauberhafte schweizer Stimmung bringt.
Noch vor Beginn der Vorstellung verteilt der Künstler höchstpersönlich Programmflyer an jeden Zuschauer und versichert, dass dort alle Informationen über das Stück, sowie Facebook-Adresse und Kontaktdaten stehen. Die Flyer sind Papierhandtücher aus dem WC. This Maag erklärt freundlich, dass die rauen Erhebungen Brailleschrift sind. Auf Anfrage eines Besuchers sucht er sogar eilfertig einen französischsprachigen Flyer aus dem Stapel und überreicht ihn freudestrahlend. Wunderbar.
Dann geht es los. Unter Alphornklängen und mit einem überdimensionalen Rucksack auf dem Rücken, erklimmt This Maag die Bühne. Er wickelt sich aus den Tragegurten, lehnt das riesige Gepäckstück an die Wand, begrüßt das Publikum mit wunderschönem Schweizer Akzent und sagt: „Ich stelle mich mal kurz vor“. Er macht zwei Schritte nach vorne und bleibt dort stumm stehen. In diesem Moment hat er mich. Ich liebe solche Wortspielereien, die mit großer Ernsthaftigkeit durchgezogen werden. Und natürlich geht er danach ohne ein weiteres Wort zwei Schritte zurück und macht mit dem Programm weiter.
Sind die Europäer integrationsfähig? Können sie sich den Schweizern anpassen? Es geht um Rachenlaute, die gemeinsam geübt werden müssen, („chchchch“) um das an jeden zweiten Satz angehängte, relativierende ‚oder‘ („Du schaust gut aus, odrrr?“) und um die Verkleinerungssilbe „li“. Tisch-li, Gäbe-li, Messer-li und das Hörn-li werden vom Publikum fehlerfrei aufgesagt. Entsetzen löst beim Integrationsprüfer aus, als im Zuge des Verkleinerns auch das „Matterhörnli“ vom eifrigen Publikum gebildet wird, was für ihn sofort die gesamte Integration in Frage stellt. Für gute Leistungen gibt es Ricola-Bonbons, die auch mal geteilt werden müssen. „Einmal lutschen und dann weitergeben!“
Das Publikum hat viel Spaß an dem sehr sympathischen, ungefährlich wirkenden Schweizer, der nicht ein beamtenstrenger Prüfer ist, sondern sehr wohlwollend, motivierend und mit Hilfestellungen an einem zufriedenstellenden Ergebnis arbeitet. Auch wenn ihm anzumerken ist, dass er seufzend und eher pessimistisch an den mühsamen Weg denkt, bis das Rest-Europa wirklich integriert sein wird.
Einige integrative Bilderrätsel, die er mit voller Energie darstellt, werden selten gelöst, bringen bei den Auflösungen aber laute Lacher. Wie soll man aber auch erkennen, dass sein holpernd-schwankender Gang über die Bühne „dumm gelaufen“ darstellt? Ich lache immer wieder vergnügt los und habe viel Spaß. Dass This Maag auch als Straßenkünstler arbeitet, ist an seinem spontanen Eingehen auf Zuschauerreaktionen zu merken. Er nimmt Kommentare auf, geht sofort darauf ein, lacht selber über neue Ideen, verteilt Ricolas und macht einzelne Zuschauer zu Ansprechpartnern. Alles ohne zu nerven oder Zuschauer, denen das unangenehm sein könnte, zu belästigen. Es bleibt wunderbar schräg und liebevoll persönlich. Auch als ein unfreiwillig Freiwilliger auf die Bühne muss, um mit This Maag eine schweizer Variante des Ringens zu demonstrieren, ist es nett und nicht erschreckend. Niemand wird bloß gestellt, es geht um das gemeinsame Erreichen der Integrationsfähigkeit.
Sogar der Fonduetopf kommt zum Einsatz, um mitten auf der Bühne ein typisch Schweizer Käsefondue zu erhitzen. Der Käse muss lange und möglichst durchgehend gerührt werden, was This Maag immer wieder zum Topf eilen lässt, aber dann gibt es tatsächlich heiße Käsefondue-Happen, die zur Freude des Publikums verteilt werden. Mithilfe einer langen Stange werden einige Käse-Brot-Stücke sogar über die Zuschauerköpfe hinweg bis nach hinten gereicht.
Der warme Käse tropft auf den Boden, die Zuschauer lachen und schreien auf, und This Maag erkennt tiefsinnig, dass der Käsetopf die Schweiz ist und die integrationswilligen Zuschauer die Brocken, die dort eintauchen.
Am Ende sitzt This Maag auf dem Berg, klingelt melodisch mit mehren Kuhschellen und die Zuschauer singen dazu die neue gemeinsame Nationalhymne. Ein grandioses Finale.
Ein wunderschöner, feiner Abend mit spontanem Witz, schräger Wortakrobatik, einem total netten, sympathischen Schweizer, der bei den Integrationstest auch mal beide Augen zu drückt, und lecker Käsefondue. Sehr zu empfehlen!