Cordula Stratmann - Andererseits wiederum - 10.11.2004 - Bonn

Pantheon, Bonn

Cordula Stratmann mit ihrer unbekümmerten Lache und der positiven Ausstrahlung mochte ich sehr. Auch in ihrer Rolle als Annemie Hülchrath, in der sie etwas einfacher gestrickt, piefiger und deutlich älter daher kam, aber die gleiche Energie bei allen Widrigkeiten des Lebens zeigte. Sie fand immer ihre eigenen Erklärungen und die passende Lösunge. In ihrem Soloprogramm “andererseits wiederum... “, das schon länger, aber nicht mehr lange lief, und zu dem ich es endlich doch noch geschafft hatte, war sie ‘Cordula’. Das fand ich besonders interessant, denn ein ganzer Abend lang nur ‘Annemie’, ohne jeden Gast zum Dialog, wäre auf Dauer vielleicht doch etwas anstrengend geworden.

Das Bonner Pantheon war knackevoll. Das heißt: Nicht nur nett bestuhlt, sondern eng bestuhlt. Cordula Stratmann kam auf die Bühne und trug auf einem Tablett 6 Flaschen Bier und 3 Tüten Flips. Vom Publikum kam ein freudiges: “Aaaaaah!”, und sie guckte verblüfft: “Ja, ... hallo, Leute!” Wie sie sofort offen erzählte, hatte sie nur mit etwa 20 Besuchern gerechnet und sah jetzt ein Problem darin, ob das Bier und das Knabberzeug überhaupt ausreichen würden. “Jetzt mal ohne Scheiß”, fragte sie vertraulich: “Wie viele seid ihr??” Und dann mit einem skeptischen Blick, erst auf die Flips und dann auf die Zuschauer: “Jaaa, ... wie krieg ich euch jetzt reduziert?”

Aber natürlich war es kein Problem für sie. Tatkräftig sortierte sie die Leute aus, die ihrer Ansicht nach sowieso keine Flips essen durften, teilte den Saal in Drittel ein und gab jeweils eine Tüte Flips und 2 Flaschen Bier auf den Weg. Sogar an den Flaschenöffner hatte sie gedacht. “Aber nicht, dass jemand von hier unten an den Flips von dort oben mit isst!” ermahnte sie, grinste glücklich, weil das Problem gelöst war und das eigentliche Programm beginnen konnte.

Das begann dann auch mit einem erneuten Auftritt, herzerwärmender Musik, flatternd-schwebender Federboa um den Hals und einer extrem herzlichen Begrüßung des Publikums. Viel Show, passend für das “Bühnenprogramm auf ziemlich hohem Niveau”.

Die Zuschauer waren fasziniert von der natürlichen, fröhlichen Ausstrahlung der Darstellerin, grinsten und hatten Spaß. Sie sah aber auch süß aus. Mädchenhaft schmal, mit blondem Pferdeschwanz und blitzend blauen Augen unter den Ponyfransen. Außerdem mit einem unbekümmerten, breiten, ansteckenden Lachen ausgestattet.

Vor allem legte sie keinen Wert auf Distanz, sondern fiel immer wieder aus ihrer Hauptdarstellerinnen-Rolle, um persönliche Anmerkungen zu machen, Sachverhalte zu erläutern oder die sich ihr plötzlich stellenden Fragen laut zu überlegen. Dabei nahm sie intensiv Blickkontakt mit dem Publikum auf und ging auf Reaktionen ein, so wie ihr auch ständig bewusst war, dass dort Zuschauer saßen, die sie unterhalten musste.

Immer wieder würfelte sie die Anreden durcheinander, sprach mal von “Sie” und mal von “Du”, und eine ihrer häufigsten Anreden war ein vertrauliches: “So, Leute, jetzt passt mal auf! ...” Sie wirkte dabei sehr natürlich und fast privat. Bei all ihren Fragen erwartete sie allerdings keine Antworten. Sie überlegte laut in alle Richtungen, entwickelte die Antworten selber und war mit ihren eigenen Erklärungen sehr zufrieden. Trotzdem brauchte sie dazu Zuhörer.

Ich fühlte mich, als wäre Cordula Stratmann meine Nachbarin, die zu Besuch gekommen war und mich vollquatschte. Eine eigentlich sehr nette, sympathische Nachbarin, die immer “nur kurz auf einen Kaffee” kam und dann stundenlang am Tisch saß und weder wegzukriegen, noch zu unterbrechen war. Die merkte einfach nicht, wenn sie nervig wurde. Ich wusste nicht, ob ich mir so eine Nachbarin wünschen würde. Einerseits schon, das wäre echt nett, andererseits hatte ich gar nicht genug Zeit für so etwas.

Zwischendurch gab es kleine, gespielte Szenen, in denen sie von Anfang bis Ende in eine andere Rolle schlüpfte. Mal mit wunderbarer Berliner Schnodderschnauze und einer Selbstsicherheit, die zum Weglachen war, dann als lispelnde Peggy, die in der Bahn laute Handygespräche über Themen führte, die den Leuten auf den Nachbarsitzen die Ohren groß werden ließen. Oder auch im Bericht über den schweren Beruf der Backgroundsängerin, den sie anschaulich singend, dauerlächelnd und performend vorführte.

Sehr gut fand ich auch ihre abgebrochenen Sätze, die dann mit Geräuschen ergänzt wurden, oder die den Schluss, den sich jeder denken konnte, einfach weg ließen. Das war manchmal schon wie in einem gesprochenen Comic. “Also der Robert de Niro, ....hallo? ... De Niiiiiroooo, ... WOW!” Das sagte alles.

Vor allem waren ihre Gedankensprünge gut nachvollziehbar. Nicht, dass jeder Zuschauer von alleine in die gleiche Richtung gesprungen wäre, aber er konnte ihr zumindest gedanklich folgen. Dass es durch die Benzinpreiserhöhung Riesenstörche geben würde, war logisch erläutert, ebenso wie man sich als Zuschauer in die Verlegenheit reinversetzen konnte, in die sie als Kind mit ihrem gut gelaunten, spontanreimenden Vater kam. Trotz ihrer Grimassen und der hin und wieder leicht burschikosen, manchmal sogar, wenn die Rolle es verlangte, prolligen Ausdrucksweise, blieb Cordula Stratmann immer sympathisch und weiblich.

Irgendwann hatte ich mal etwas über ihre Doris-Day-Ausstrahlung gelesen, und genau die erkannte ich immer wieder. Blond, süß, fröhlich und sehr vertraut. Sie konnte laut “Scheiße!” brüllen, und wirkte trotzdem total nett und nicht bedrohlich. Außerdem war sie eine der wenigen Frauen, die in einem lachsrosa Abendkleid richtig gut aussahen. Sogar wenn sie dazu ihre knallroten Turnschuhe trug.

Am Ende kam sie dann sogar nochmal als Annemie Hülchrath im Morgenmantel raus und erzählte von ihrem Pudel Helmut und dem Familienleben.

Den Endapplaus plante sie durch, und weil sie es so von Herzen wünschte und sich so darüber freute, gab es natürlich Standing Ovation, die sie mit strahlenden Augen und glücklichem Lachen entgegen nahm.

Wem Annemie Hülchrath aus “Zimmer frei” nicht auf den Keks geht, der wird viel Spaß am Abend mit Cordula Stratmann haben. Es ist alles ähnlich verdreht gedacht, aber frischer, lebendiger und wie ein Abend mit der netten Nachbarin von nebenan. Mir hat es sehr gefallen, ich mag die natürliche, leicht aufgedrehte und temperamentvolle Art von Cordula Stratmann und habe viel gelacht. Langer Applaus auch vom restlichen Publikum.