Manfred Maurenbrecher - Hoffnung für alle - 16.03.2011 - Leverkusen

Leverkusen, Kolonie 1

Die Stimme von Manfred Maurenbrecher gehört bei mir zu denen, die in mein Herz gehen. Sie ist mir sehr vertraut und wenn ich sie unerwartet höre, denke ich liebevoll: “Ach, Manfred Maurenbrecher!“ und lächel sofort. Seltsamerweise hatte er schon zwanzig oder sogar dreißig Jahre lang Texte geschrieben und Musik gemacht, ehe ich ihn überhaupt zufällig kennenlernte, und noch viel erstaunlicher war, dass ich es immer noch nicht zu einem Solo-Konzert von ihm geschafft hatte. Gefühlt hatte ich zwar schon einige Konzerte von ihm erlebt, weil ich ihn auf CD hörte und bei Kurzauftritten gesehen hatte, aber gefühlt war nicht echt.

Netterweise trat er in der Kolonie 1 in Leverkusen auf. Den Namen des Veranstaltungsortes kannte ich ebenfalls seit vielen Jahren und war noch nie dort gewesen. Zwei Premieren an einem Abend und, um es vorweg zu nehmen, beide klasse.

Wenn es einen Künstler gibt, zu dem die gerne verwendete Bezeichnung “authentisch” passt, dann Manfred Maurenbrecher. Bei ihm habe ich immer das ganz sichere Gefühl, dass er nichts vorspielt, sondern IST. Was gegen seine Überzeugung geht, würde er nicht machen. Damit passt er nicht geschniegelt und glatt in die großen Unterhaltungssäle, aber seine Arbeit und seine Persönlichkeit wird von vielen Kollegen sehr hoch geschätzt. Er schrieb Liedtexte für Hermann van Veen, Renan Demirkan, Ulla Meinecke und Katja Ebstein, schreibt Texte und Bücher, tourt und bekam zum 60. Geburtstag im letzten Jahr eine Dreifach-CD “Maurenbrecher für alle”, auf der sich 62 von Kollegen gesungene Coverversionen seiner Lieder befinden.

In der Leverkusener Kolonie 1, einer Art Kneipe mit Bühne, die Nähe und Intensität versprach, erklärte er gleich zu Beginn, dass es um das Thema Reisen ginge. “Egal, was auf dem Programm steht. Ich schreib oft neue Lieder und wenn die fertig sind, hab ich auch Lust die zu spielen, egal wie sie heißen.” Er erzählte mit humorvoll blitzenden Augen, dass er immer nur einen Titel für die neuen Plakate überlegen müsse, das Programm verändere sich sowieso ständig.

Als er das erste Lied am Klavier sang, lächelte ich sofort los und dachte liebevoll: “Ach, Manfred Maurenbrecher!”. Manfred Maurenbrecher gehörte zu den Klavierspielern, bei denen Besitzer kostbarer Flügel, die ihr Instrument täglich polierten und außerdem keinen Millimeter verrückten, um jede Verstimmung zu vermeiden, Zustände bekommen mussten, wenn er darauf spielte. Er hämmerte nämlich meistens ziemlich kraftvoll auf die Tasten und ich wunderte mich, wie er seine Hände mit Schwung herunterknallen lassen konnte und trotzdem zielsicher die richtigen Akkorde traf. Elegant sah es nicht aus, wenn er Klavier spielte, es erinnerte mich eher an einen Holzfäller, der in einer Fällpause verbissen eine musikalische Begleitung aus dem Bar-Klavier haute. Hin und wieder trat er sogar mit der Schuhsohle oder dem Absatz rhythmisch auf den Boden, so dass auch das kostbare Parkett nicht spurlos davon kommen konnte. Fans von Richard Claydermann fielen vermutlich ohnmächtig vom Stuhl angesichts dieser Urgewalt, aber Fans von Manfred Maurenbrecher sahen mit Freude zu und hörten auf die Texte, die Bilder im Kopf entstehen ließen und so viel aussagten.

Mich interessierte sehr, was er zu sagen hatte und wie er seine Gedanken und die Geschichten verpackte, aber ich liebte auch diese Stimme. Sie war meistens rau und kantig, konnte aber auch ganz sanft und empfindsam sein. Wobei sie auch sehr feinfühlige Aussagen machen konnte, wenn sie rau polterte. Zwischen den Liedern gab es sehr persönlich erzählte Erlebnisse, die oft der Auslöser für das nachfolgende Lied gewesen waren und den Zuhörern den Inhalt des Liedes damit gleich viel näher brachten. So wie Manfred Maurenbrecher überhaupt nah und sehr persönlich wirkte. Eben authentisch. Das war keine Bühnenshow, für die er den Liedermacher spielte, das war einfach Manfred Maurenbrecher, der fast privat erzählte und am Klavier seine persönlichen Gedanken vortrug. Durchaus mal knallhart- ätzend, wenn es gegen Sarrazin ging, dann wieder sanft und melancholisch, wie beim “Hafencafé”, bei dem ich jedes Mal mit an der Brüstung stehe und aufs Meer sehe.

Am Klavier wackelte er hin und her, bewegte sich kraftvoll, seine zipfeligen Haare flogen ins Gesicht, Schweißperlen glitzerten an den Schläfen und nur selten traf ein kurzer Blick ins Publikum. Es war ein erstaunlicher Unterschied zu den Moderationen, bei denen er ganz sanft und zurückhaltend sprach, seine Augen hinter den Brillengläsern liebevoll lächelten und nichts daran erinnerte, dass er eben noch wild auf die Tasten gehämmert und dazu laut gesungen hatte. Am meisten mochte ich, dass er so unverstellt war.

Ein wunderschöner Abend für alle, die mit Maurenbrecher-Texten etwas anfangen können. Oder die von seiner Art fasziniert sind. Es gab lauten Applaus und die Zugaben am Ende wurden gerne noch mitgenommen. Im Publikum saßen auch ein paar wenige Leute, die wohl eher einen Claydermann-Abend erwartet hatten und dementsprechend nur höflich applaudierten, aber auch das war authentisch. Wenn es einen nicht packt und Herz und Seele nicht erreicht werden, passt es eben nicht. Vielleicht waren es auch nur geschockte Flügelbesitzer.

Ich fand den Abend, der ja mein erster Solo-Konzertabend von ihm war, sehr schön, auch wenn er mich nicht überraschte, denn genau so hatte ich ihn erwartet. Kraftvoll, berührend, sanft, mit Manfred Maurenbrecher, der so kantig und polternd wirken kann, aber ganz sensibel und aufmerksam ist. Und total nett.