Özgür Cebe - Freigeist oder geistfrei? - 22.01.2014 - Pulheim
Theater im Walzwerk, Pulheim
Vor der Tür des Theaters im Walzwerk stand ein Türsteher. Ein dunklerer Typ, muskulös, dunkle Jacke, Drei-Tage-Bart, vermutlich Türke. Er wartete ruhig und selbstbewusst, und hätte mich nicht im geringsten gewundert, wenn er: „Du komms hia nisch rrrein, Alde“ gesagt hätte. Nein, ich hab es nicht mit Klischees. Oder doch? Der Türsteher stand nämlich nur vor der Tür, weil er mit seinem Handy telefonierte. Außerdem war er der Künstler des Soloprogramms.
Özgür Cebe ist Deutscher, geboren in Bielefeld, aufgewachsen in Bonn. Er hat türkisch- armenisch- kurdische Wurzeln und damit nach eigener Aussage „drei Feinde in einem Körper“. Er spricht das gebrochene Deutsch-Türkisch nur, wenn es in sein Programm passt. Ansonsten redet er akzentfrei, wie so viele der „Menschen mit Migrationshintergrund“, deren Eltern oder Großeltern irgendwann einmal nach Deutschland kamen. Wäre er Radiosprecher, würde kein Zuhörer überhaupt auf die Idee kommen, dass dort eine andere als die deutsche Nationalität in den Wurzeln steckt. Vorausgesetzt, er würde seinen Namen nicht nennen oder ihn von Özgür Cebe in Oskar Schulz ändern.
Ein Januarabend im etwas außerhalb von Köln gelegenen Pulheimer Walzwerk. Die Veranstaltung war nicht brechend voll. Es waren sogar extrem wenig Zuschauer da, was den Abend zu einem ganz besonderen Erlebnis machte. „Eine Privatvorstellung“, lachte Özgür Cebe, hatte aber überhaupt kein Problem damit, sein neues Programm auch vor wenigen Zuschauern zu zeigen. Die waren zum Glück alle locker, aufgeschlossen und lachbereit und machten beim Einlass schon Witze, ob sie wohl Plätze in den vorderen Reihen bekommen könnten. Es war eine sehr entspannte und persönliche Atmosphäre, zu der auch Marco Seypelt, der Leiter des kleinen Theaters beitrug, der sich familiär um seine Gäste kümmerte und viel Freude an seinem Beruf – oder seiner Berufung? – ausstrahlte. Was für ein schönes, sympathisches Theater!
In Özgür Cebes Programm ging es um Klischees und Vorurteile. Die erfuhr er selber immer wieder. Er spielte mit der für manche Menschen verstörenden Widersprüchlichkeit zwischen seinem türkischen Aussehen und seiner gebildeten, akzentfreien Sprache und nannte sich „einen Intellektuellen im Körper eines Assis“. Außerdem wehrte er sich gegen die oft geforderte Integration, weil er doch in diesem Land geboren und aufgewachsen und damit integriert SEI. Vor Aufforderungen, dass er doch dahin zurückgehen solle, von wo er komme, stand er ratlos. Bielefeld??
Aber es ging nicht nur um seine alltäglichen Erfahrungen als „Ausländer“, er brachte in seinem Programm auch locker weitere Klischees unter, angefangen von der Waldorfschule, wo es nicht nur wallende Gewänder gab, sondern beim Tanzen seines Namens auch Probleme mit den Ö-Strichen, bis hin zu den familiären Problemen beim Zusammenleben von Moslems und Christen. Immer wieder kam er von der „Türken-Comedy“, wie er es selbst grinsend nannte, zu gesellschaftskritischen Themen, die lustig verpackt waren, oft mit einem Gag endeten, aber doch zeigten, wie nervig es im täglichen Leben sein konnte, nicht wie ein typischer Deutscher auszusehen. Dabei klagte Özgür Cebe nicht vorwurfsvoll an, sondern registrierte fast amüsiert und mit leicht verwunderten Kopfschütteln die Absurdität mancher Situation und servierte sie auf der Bühne locker und pointiert. Der Mensch zählte für ihn, nicht die Nationalität oder die Religion. Er war nicht für jeden Anschlag mitverantwortlich. „Wenn ich was sprenge, dann doch höchstens den Rasen!“
Seine Sprechstimme war sowieso sehr schön, singen konnte er auch noch klasse mit sehr sanfter, warmer Stimme. Den gespielten türkischen Kaufhausdetektiv hätte ich ihm fast abgenommen, wenn nicht der Satzbau und die Wortwahl trotz des typischen Deutsch-Türkisch noch zu gut gewesen wäre. Aber das machte die Figur eher noch interessanter. Schien ja doch mal ausgiebig zur Schule gegangen zu sein, dieser Detektiv.
Es gab jedenfalls viel zu lachen, und dass das Programm neu war und an diesem Abend erst zum sechsten Mal gespielt wurde, war nicht zu merken. Özgür Cebe redete sicher und souverän, hielt Kontakt mit dem Publikum und brachte sein Programm ganz locker rüber. Die Zuschauer hatten Spaß, lachten auf, applaudierten und fühlten sich die ganze Zeit über kurzweilig unterhalten. Am Ende trug Özgür Cebe ein Gedicht vor, in dem es um die verschiedenen Arten von Religion und die Gefahr des bedingungslosen Glaubens ging. Diesmal ganz ernsthaft, nachdenklich und mit ausgebildeter Schauspieler-Stimme vorgetragen. Eindrucksvoll.
Es war ein sehr schöner, in seiner familiären Atmosphäre ganz besonderer Abend. Özgür Cebe machte eine schöne Mischung zwischen witziger Comedy und ernsthaftem Hintergrund und wirkte dabei authentisch und entspannt. Das kleine Theater im Walzwerk war total nett, und Türsteher werde ich mir demnächst genauer ansehen.