Onkel Fisch - Samuraibekuchen - 03.10.2004 - Köln

Alter Wartesaal, Köln

“Ich glaube, es wird dir nicht gefallen, es ist schnell und laut”, sagte mir jemand, dessen künstlerische Beurteilung ich sehr schätze. “Ach, das ist von Radio 1 Live. Das hörst du sowieso nicht, weil dir die Musik auf den Senkel geht”, erklärte mein Gatte. Onkel Fisch war also Radio-Comedy, die ich überhaupt nicht kannte, weil ich den Sender nicht hörte, und die mir nicht gefallen würde, weil sie schnell und laut war. Aber der Name war nett.

Der alte Wartesaal unter dem Kölner Hauptbahnhof war ebenfalls nett. Ich war schon mehrfach zu den Mitternachtsspitzen dort gewesen und mochte die Atmosphäre. Allerdings dröhnte an diesem Abend hämmerige, etwas eintönige Musik durch den Raum, und mein Gatte erklärte: “Das ist typische 1 Live-Musik. Die drehst du doch sofort weiter, wenn du die zufällig reinkriegst.” Das stimmte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mir der Abend nicht gefallen würde.

Ziemlich pünktlich ging die Nebelmaschine an und verräucherte die Bühne, auf der nur ein schlichter Stoffparavent mit chinesischen Schriftzeichen stand, dessen Coolness durch schnörkelige, kleine chinesische Lämpchen gebrochen wurde, die über den oberen Rand gehängt waren. Zwei Männer stürmten auf die Bühne, erzählten was von der “Meditation des Samuraibekuchens”, fuchtelten mit asiatischen Schwertern herum und hatten dazu die falschen Geräusche. Ich war sofort fasziniert. Es war witzig und das Timing stimmte. Und wie das stimmte! Ich liebe schnelle, gut getimte Sachen!

Außerdem wirkten beide Darsteller, Adrian Engels und Markus Riedinger, sehr nett und natürlich. Keine obercoolen Typen, wie ich sie - völlig vorurteilsfrei - bei 1 Live erwartete, sondern fröhlich lachende Männer, die blitzschnell aus einer seriösen Erwachsenenhaltung in die blödsinnigste Rolle schlüpfen konnten. Mit völlig ernster Miene hatten sie kein Problem sich zum Affen zu machen, waren dabei aber so überzeugend gut, dass ich sie überhaupt nicht albern fand, sondern ihr schauspielerisches Talent bewunderte und mich sehr amüsierte.

Zur Erheiterung des Saales gab es den kompletten ‘Moby Dick’ als Hörspiel, bei dem das Publikum wechselnde Rollen als Wind, Regen oder Mannschaft übernehmen musste. Sobald der Käpt’n das Wort “Mannschaft” sagte, riefen die Zuschauer laut: “Ahoi!”. Das klappte sogar, als er ganz nebenbei bemerkte: “Eine super Mannschaft!” und sofort ein lautes “Ahoi!” ertönte. “Na, also!” grinste er zufrieden.

Mit knackigen Zwischenmoderationen ging es von einem Programmpunkt zum nächsten. Es waren gespielte Sketche oder eine Art Hör-Comedy, die zufällig zum Angucken war. Alles gut gerafft, so dass es keine langen Stellen oder ermüdende Stories gab. Dafür aber wunderbar witzige Ideen, wie ein Anzugkauf in China, der mit Untertiteln gespielt wurde, oder eine blitzschnelle Weihnachtsgeschichte mit raschen Szenenwechseln. Wie die Gruppe Ramstein ein Schlaflied singen würde, wurde mir deutlich gemacht, ich nahm an einem Motivationsseminar mit den ätzend gut gelaunten Motivatoren Steve und Bill teil, und die anschauliche Dokumentation über die faszinierende Welt der Hubschrauber über dem Rapsfeld und ihr Werben und Liebesleben, rundete den Abend informativ gesehen ab.

Der ‘Sataan’, der auf einen Öko-Jesus traf, und die Leute der Grillstube ‘Saloniki’ schienen kultige Figuren aus dem Radio zu sein, denn die erfahrenen Zuschauer johlten auf, als sie die Szenen erkannten. Da brauchten nur einige Redewendungen zu fallen und es wurde gejubelt. Für mich nicht immer nachvollziehbar, da ich ja 1 Live nicht hörte, aber doch so lustig, dass ich mich gut unterhalten fühlte. Sehr witzig auch, als sich der Sataan, dessen Stimme dumpf und hallig war, plötzlich ungeplant räuspern musste. Er dröhnte: “Heute ist das Ende aller Tage!”, schluckte hörbar, und redete mit der gleichen, mächtigen Stimme weiter: “Huch, jetzt hab ich mich verschluckt. Frosch im Hals. Tut so, als hättet ihr nichts gehört!”

Nach zwei Stunden, in denen es mir nie langweilig wurde und ich sehr viel lachen musste, war ich wirklich gut gelaunt. Zwei tolle, sympathische Leute, sehr viel Talent und ein perfektes Timing. Eine knappe Bewegung im richtigen Moment war viel stärker, als lange, ausführliche Ausschweifungen. Bei ‘Onkel Fisch’ lief es schnell und zügig ab und war damit genau richtig für die kurzen, abwechslungsreichen Szenen. Außerdem war das Licht immer passend und der Mensch am Lichtpult reagierte blitzschnell mit Spots und Stimmungswechseln. Es stimmte einfach.

Dass das Programm nicht viel Tiefgang hatte und es keine ruhigen Nummern für Herz und Seele gab, fand ich nicht schlimm. Gut gemachte Comedy, die perfekt sitzt ist, hat ihren Reiz. Es war schnell und manchmal laut, aber wirklich klasse!