Hans Süper - Unplugged - 10.05.2014 - Köln

Brauhaus Gaffel am Dom, Köln

Während es im großen Saal des Kölner Gaffel-Brauhauses laut und trubelig herging, gab es im unteren Stockwerk eine kleine, ruhige Braustube, in der auf einer winzigen Bühne ein Barhocker und eine kleine Verstärkeranlage aufgestellt waren. Auf einem Tisch lag ein bunt beklebter Instrumentenkoffer mit der „Flitsch“, der Mandoline von Hans Süper. Während die Zuschauer nach und nach eintrafen und sich auf einigen Sitzbänken und an Stehtischen verteilten, lief Hans Süper gut gelaunt herum, begrüßte nicht nur Freunde, Bekannte und Verwandte freudig, sondern auch alle weiteren Anwesenden. Er kam einfach an jeden Tisch, fragte grinsend: „Was wollt ihr denn hier? Habt ihr nix Besseres zu tun?“-, wirkte vertraut und herzlich und erzählte, als würde er sein Gegenüber schon lange kennen. Augenzwinkernd erklärte er sein Verhalten: „Ich hab’s gern ein bisschen familiär.“ Das war sofort zu glauben. Er brauchte keinen Abstand zu seinem Publikum, er wollte es nah und persönlich haben.

80 Zuschauer wurden für den Abend erwartet, erzählte er, obwohl es 160 Karten gegeben hatte. Warum die nicht sofort komplett verkauft waren, war mir ein Rätsel. Eines der seltenen Süper-Konzerte, in so einem kleinen, fast privaten Rahmen, das war doch ein Zuckerstückchen! Vielleicht hatte es zu wenig Werbung gegeben - ich hatte es auch nur zufällig gelesen -, aber ehrlich gesagt, fand ich ein 80-Zuschauer-Konzert noch viel besser als eines mit 160. Umso intimer und feiner wurde es doch für die Anwesenden.

Hans Süper war längst ein Kölner Original. In den 80er Jahren war er der wirbelige Teil des „Colonia Duetts“, dessen legendäre Nummern in den Sitzungssälen und vor den Fernsehern Lachanfälle auslösten und heute noch zitiert werden. Während sein Partner „Zimmermän“ trocken und seriös wirkte, sprang Süper in Hochwasserhosen und mit zu großem Jackett hibbelig herum, spielte auf der „Flitsch“ und hatte ein perfektes Timing. Mit ewig langgezogenen Worten fragte er nach, machte Pausen, in denen die Spannung hochgetrieben wurde und setzte dann den Gag als Knaller. Er war frech und unangepasst und wurde vom Publikum geliebt. Seine Duo-Partner Hans Zimmermann, ab den 90er Jahren dann Werner Keppel, wurden zu Stichwortgebern, die ein steifer, farbloser Kontrast zum bunten Vogel Hans Süper waren.

Als das Konzert begann, hatte Hans Süper schon eine Stunde lang persönlichen Warm up gemacht, wusste, wer sich im Raum befand und hatte vermutlich mit allen Anwesenden schon gesprochen und Witzchen gemacht. Und nicht nur er, auch die Zuschauer hatten inzwischen ein familiäres Gefühl. Ich hatte zwar für meine Eintrittskarte bezahlt, fühlte mich aber eher wie ein eingeladener Gast auf einer Privatparty. Hans Süper kletterte mit einem großen Schritt auf die Bühne und war damit vom Warm up sofort in den Konzertteil übergegangen. „Ich bin jetzt zum dritten Mal im Gaffel-Brauhaus“, erklärte er und ergänzte nach einer kleinen Pause bedeutungsvoll: „Zwei Mal war es schön ….“ Das Publikum lachte fröhlich los; es war schon mittendrin und musste gar nicht mehr auftauen.

Hans Süper erzählte in seinem kölsch geprägten Tonfall kleine Witze und Geschichten, die er genau so auch in einer Karnevalssitzung hätte erzählen können. Vermutlich könnte er eine Stunde am Stück erzählen und hätte immer noch Massen von Kommentaren und Witzen im Kopf. Meistens waren die Gags überraschend und sehr witzig, aber sogar wenn ich den Gag kannte, lachte ich sehr amüsiert los, weil er ihn so witzig und liebenswert brachte. Oft ging es um seinen Freund Theo, der an diesem Abend eigentlich kommen wollte, es aber nicht rechtzeitig geschafft hatte, was ein Glück war, denn er hatte angeblich starken Körpergeruch. Hans Süper: „Ich sag zu ihm: Wie wär es denn mit einem Deoroller? Und er: Was soll ich denn damit? Ich hab ja keinen Führerschein.“ Gab es Zwischenrufe aus dem Publikum, ging er sofort darauf ein. „Warst du auch dabei?“, freute er sich dann, oder guckte bohrend, wenn irgendwo zu laut oder zu spät gelacht wurde. Das Publikum hatte Spaß und ließ sich von ihm mitnehmen.

Zwischendurch griff er zur „Flitsch“ und begleitete in seiner ganz eigenen, unnachahmlichen Art seine Lieder. Das Tempo wechselte ständig, denn Hans Süper brachte seine Lieder so, wie er auch Geschichten erzählte: Mal kam ein schnell gesungener Satz, dann gab es Spannungspausen, lang gezogene Wörter, einen stummen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen und im richtigen Moment den Gag. Er zupfte schnell an den Saiten, wechselte kurz in einen Sambarhythmus, wurde ganz wunderbar jazzig, brummte in tiefsten Basstönen, zog eine Grimasse oder gab seine typischen Zwischengeräusche. Viele Besucher kannten die Texte, nickten lachend und stimmten leise in die Refrains ein.

Passend zur gesungenen Geschichte gab es mal Sonnenhut und Sonnenbrille oder auch eine rote Nase. In Hemd und Hosenträgern wirkte Hans Süper wie ein vertrauter Bekannter, der mal eben in privater Runde etwas sang und die Party unterhielt. Als allerdings eine Zuschauer-Dame unbedingt ihrer Nachbarin etwas erzählen musste und das deutlich zu hören war, sprach Hans Süper sie sofort an und machte ihr mit einem lockeren Spruch klar, dass das störte. Es schien witzig, aber wirkte: Alle lachten und die Frau blieb leise. Zum Glück. Ich hatte im Vorfeld Sorge gehabt, dass ein Brauhauskonzert geprägt von Kölschgenuss, Feierstimmung und hoher Lautstärke sein könnte und freute mich sehr, dass das Publikum tatsächlich aufmerksam zuhören wollte.

Als Hans Süper sich nach einer knappen Stunde verbeugte, dachte ich, das Konzert wäre vorbei. Ein bisschen früh, aber für diese intensive Ein-Mann-Show mit Familienanschluss hätte es sich auch dafür gelohnt. Immerhin war er 78 Jahre alt, was seiner schnellen Reaktionsfähigkeit und den blitzenden Augen allerdings nicht anzumerken war. Nur dass er beim Mandolinespielen nicht mehr wie mit Gummibeinen herumeierte, sondern auf dem Barhocker sitzen blieb, war anders als früher. Aber es war noch nicht Schluss, Hans Süper kündigte nur eine kleine Pause an. Die verbrachte er allerdings wieder fast komplett mit dem Publikum, unterhielt sich an den diversen Tischen und brachte die Leute mit seinen Kommentaren zum Lachen.

Als er zu uns an den Tisch kam, hatte er gleich eine weitere Story von Theo drauf und gab danach zu, dass es den gar nicht gab. „Ich kann doch niemanden aus dem Publikum ansprechen und solche Sachen erzählen. Das geht ja nicht. Der Theo kriegt immer alles ab“, grinste er. Theo hatte die Rolle von „Zimmermän“ übernommen, so dass es für viele Gags wieder den Partner und Stichwortgeber gab, der zwar nicht anwesend war, über den aber gelacht werden konnte. Als wir uns begeistert vom Mandolinenspiel und den ungewöhnlichen Akkorden zeigten, versicherte er, die Mandoline würde alleine spielen und er würde nur hören, was sie macht. „Die würde auch ohne Saiten spielen!“, nickte er ernst, und die große Liebe war zu spüren, die er für dieses Instrument hatte.

Schnell erklärte er noch, dass er die zwischendurch quatschende Frau direkt angesprochen hatte, weil es ihn störe, wenn Leute zu einem Konzert gehen und nicht zuhören. „Der hätte ich die 25,- Euro zurückgezahlt, damit sie geht“, versicherte er, und wir glaubten ihm sofort. Ich fand das klasse und sehr konsequent. Mit einem: „Ich geh noch eben an den anderen Tisch“, huschte er weiter und verlängerte die „kurze“ Pause etwas, weil es dauerte, bis er rundum durch war. Nicht nur die Zuschauer genossen den nahen Umgang mit ihm, auch für Hans Süper schien es eine Freude zu sein, von Fans und Freunden umgeben zu sein und ein bisschen gefeiert zu werden. Er ließ sich lächelnd mit Leuten im Arm fotografieren, unterschrieb Fotos und CDs und war jederzeit ansprechbar.

Im zweiten Teil des Konzertes erzählte er von seinen Anfängen und hatte seine erste Mandoline dabei, die ihm sein Vater geschenkt hatte, als er vierzehn war. Er demonstrierte, wie er damals vorsichtig auf die Saiten gedrückt und festgestellt hatte, dass er an verschiedenen Stellen unterschiedliche Töne bekam. „Und dann hab ich mir alles zusammengebastelt“, schilderte er den Vorgang, wie er als Autodidakt ohne Notenkenntnisse die passenden Akkorde entdeckte. Ohne durch Musiktheorie eingeschränkt zu sein, aber mit einem hochmusikalischen Gespür, hatten sich ganz ungewöhnliche Begleitakkorde ergeben. Er spielte einige Stücke auf der Mandoline, unter anderem ein wunderschönes, berührendes “Somewhere over the rainbow”.

Es gab einen ruhigen, etwas sentimentalen Rückblick auf seine Kindheit, die 50er Jahre und den damaligen Karneval. Aber natürlich gab es auch hier immer wieder viel Gelächter, denn Hans Süper hatte einfach einen Sinn für Humor und brachte die Zuschauer gerne zum Lachen. Den Satz: “Wir hatten ja nix, aber wir haben alles geteilt” fand ich total lustig, während einige Zuschauer gar nicht reagierten. Aber für die gab es auch genug zu lachen.

Zum Ende gab es den “Kölsche Jung”, eine Art Hymne für die Kölner. Hans Süper war nicht nur witzig und schnell, sondern auch Meister der leisen Töne. Er brachte die Strophen des Liedes ganz zart und liebevoll, und beim Refrain sangen die Zuschauer halblaut mit. Sehr berührend und wunderschön.

Am Ende klatschte das Publikum laut und begeistert, Standing Ovation gab es sowieso, weil fast alle an Stehtischen standen, aber die hätte es ansonsten auch gegeben. Der wunderschöne, lustige, herzberührende Abend mit Hans Süper endete damit, dass er mit einem Kölsch von der Bühne stieg und sich wieder unter sein Publikum mischte. Es gab also nicht nur den Warm up und die Pausenunterhaltung, auch eine persönliche Nachbetreuung folgte.

Beim Rausgehen verabschiedete ich mich noch kurz von ihm - schließlich hatten wir uns ja mehrfach unterhalten und da kann ich doch nicht einfach gehen, wo es doch den ganzen Abend über so familiär war - und es war überhaupt nicht überraschend, dass er mich kurz umarmte und liebevoll: „Tschöö, Liebschen“, sagte. So ist er. Herzlich und ohne Berührungsängste.

Was für ein schöner, familiärer, berührender Abend!