Wise Guys - 20.09.2002 - Pantheon - Bonn

Im Bonner Pantheon-Theater gab es eine Art Premiere. Es war 23 Uhr, im Foyer befanden sich noch die letzten Besucher der Abendvorstellung von Bastian Pastewka und Olli Dittrich, da füllte sich der Saal schon wieder mit neuen Zuschauern. Die 23-Uhr-Nachtbühne wurde mit einem Wise Guys Spätkonzert eröffnet. Rita Baus, die Leiterin des Theaters erklärte kurz, dass es keine Pause, dafür aber eine durchgehende Bedienung geben würde, dann stürmten schon die Wise Guys auf die Bühne. Es gab gleich viel Begrüßungsapplaus und ich fand, dass die Jungs überhaupt nicht müde, sondern so frisch wie um 20 Uhr aussahen.

Showtime eröffnete den Abend, der Klang war nach den ersten, leicht dumpfen Tönen ziemlich gut, das Licht war richtig schön bunt und die Stimmung sofort klasse. Am Ende des Openers gab es riesig viel Applaus, und der Auftritt war sofort ein gewonnenes Heimspiel.

Dän freute sich über die vielen Besucher, die den Saal bis in den letzten Winkel füllten, war aber auch verwundert: “Wir fragen uns: Wer kommt da überhaupt hin? Was machen die vorher? Ins Kino gehen? Fernsehen gucken?” Ein Zwischenruf aus dem Publikum: “Baden!” “Baden?” Er stellte fest, dass es viele außerordentlich gut aussehende Frauen im Publikum gab, dafür weniger Kinder als sonst. Leider sagte er nicht, was ihm davon besser gefiel, das hätte mich jetzt wirklich mal interessiert. So ganz richtig kam ihm die Spätvorstellung um 23 Uhr aber anscheinend nicht vor, denn er sagte lässig: “Wir nudeln heute ein Programm durch, ...” Nahm er den Auftritt etwa nicht ganz ernst?

Dass alles etwas ungewohnt war, zeigte sich, als er Mädchen, lach doch mal ankündigte, ein Lied, das sonst unmittelbar vor der Pause kam. Dabei sollte es doch gar keine Pause geben! Dem Publikum war es egal, die Laune war prima und ich sah keinen, der in der späten Stunde gähnend auf seinem Stuhl hing.

Die Umfrage startete mit: “Wer geht Freitagabend um 23 Uhr in ein Konzert in Bonn?” Es waren alle Anwesenden, die das taten, und es gab sogar noch welche vor der Türe, die keine Karte mehr bekommen hatten. Erstaunlicherweise gab es eine Menge Ersthörer, jemanden, der gedacht hatte, es sei Disco im Pantheon, einen Besucher aus der Schweiz und eine große Anzahl von Kölnern. “Hey, da machen wir das doch demnächst in Köln!”, war die grinsende Reaktion. Als während der Umfrage ein Tablett voller Getränke nahe an der Bühne vorbeikam, unterbrach Dän sofort und blickte sehnsüchtig hinterher: “Oh, da kommt lecker Bier! Wie gemein!”

Der Deutsche Meister begann schön zart und süß, animierte dann die ersten drei Reihen und vereinzelte Gruppen zum Mitschunkeln und wurde allgemein laut belacht und umjubelt. Danach Das wär’s gewesen, von Clemens ganz ruhig und superschön gesungen. Am Ende ergänzten einige Zuschauer den Schlussakkord mit einem lauten, bedauernden “Oooooh”, was aber gar nicht so passend war. Eigentlich ist das Lied doch ziemlich ernst und am Ende sogar traurig, da sollte man eher wehmütig lächeln, anstatt mit einem “Oooooh” zu zeigen, dass die leise Stimmung an einem vorbeigegangen ist. “Oooooh” darf man allerdings unbesorgt rufen, wenn bedauernswerte Männer erkennen, dass sie arme Schweine sind. Da passt es dann ganz hervorragend.

Kinder war ein sehr vergnüglicher Programmpunkt, bei dem auch zwischendrin laut gelacht wurde, dann machte Eddi eine Ansage, bei der er an alle möglichen Leute Beleidigungen austeilte, egal ob Bonner, Bad Godesberger oder Schweizer. Er sprach von “kulturmasochistischen Adern” und nicht nur das Publikum lachte sehr, sondern auch seine Kollegen hörten grinsend zu.

Was für eine Nacht begann, und Clemens war so gut gelaunt, dass er kaum ernst bleiben konnte und mit der Kombination von cooler Sonnenbrille und breitem Grinsen im Gesicht, total witzig aussah. Schon vorher war Sari mehrfach aufgefallen, als er unerklärliche Lachanfälle bekam, sobald er zu Eddi schielte, der mit seligem Lächeln auf der Bühne stand, und die wachsende Albernheit zu nächtlicher Stunde war sehr ansteckend.

Die Sonnencremeküsse wurden aber noch sehr ernsthaft und überzeugend gebracht. Dän sang superlässig die Leadstimme, der Background war locker, und weiche “Shalalala” schmolzen in der Sonne. Sehr schön, und ich wunderte mich, warum der anschließende Applaus hinter meinen Erwartungen zurückblieb. Er war laut und heftig, aber eigentlich nicht laut genug für dieses schöne Lied.

In die folgende Abmoderation hinein klang das laute Klirren eines umgestoßenen Glases. “Das war der Eddi!”, motzte Dän sofort los. “Da musste ich gar nicht gucken!” Tatsächlich war Eddi am Bühnenrand gegen Gläser gestoßen und hatte eins zerbrochen. Dän kommentierte säuerlich: “Wenn hier einer an das Tablett stoßen musste, dann war das der Eddi.” Während Eddi und Ferenc die Scherben aufsammelten, verdrehte Dän genervt die Augen. “Es ist immer Dasselbe! Immer der Eddi. Mit einer Regelmäßigkeit wirft er alle zehn Konzerte ein Glas um. Ich könnte mich aufregen!!” Die Zuschauer lachten hochvergnügt über seine Gereiztheit, als er auf die Beseitigung des Schadens wartete. Ungeduldig sah er sich zu seinen aufräumenden Kollegen um. Ferenc lief gerade mit einem Handtuch unter den Schuhen in kleinen Rutschschritten über den nassen Boden, und Dän knurrte: “IHR macht da ‘ne Show draus!” Als er dann aber noch gnädig hinterherschob: “Kann ja jedem mal passieren”, hingen die ersten quietschenden Zuschauer schon fast quer auf den Stühlen. Superwitzig, und der endgültige Auslöser für einen wunderbar lustigen Abend. Anschließend begann Dän seine Abmoderation nochmal und spulte dabei ganz schnell kleine Wortfetzen ab: “Sonnencremeküsse - Sonne - Sand - Meer - Salz auf der Haut - Dünen - und dann kommt einer und wirft ein Glas um.”

Ab da lachten Eddi und Sari bei jeder Gelegenheit los, Ferenc grinste ständig und alle hatten sichtlich viel Spaß auf der Bühne. Für die Zuschauer war das extrem witzig und immer wieder gab es Lachwellen, die plötzlich quer durch den Saal zogen. Ich fand es nur klasse und freute mich, wie locker und vergnügt die Wise Guys mitten in der Nacht waren. Wahrscheinlich waren sie nur ziemlich aufgedreht, weil die Zeit so ungewöhnlich war und sie sonst schon lange am Ende des Afterglows angekommen waren. Egal, es war superwitzig und ein großes Vergnügen!

Sari erzählte witzig von der Powerfrau und auch wenn er in der Leadstimme ein wenig zu leise war, wurde das Lied laut umjubelt. Was mich allerdings sehr störte, war das Getränkeverteilen und Kassieren während der Lieder. Die Bedienungen waren zwar leise und huschten gebückt zwischen den Tischen hindurch, aber das Klimpern von Kleingeld, die Unruhe, wenn das Portemonnaie in der Tasche gesucht werden musste, und die halblauten “Cola Light?”-Fragen, störten mich doch sehr. Von mir aus würde ich lieber vor dem Konzert gleich zwei Getränke bestellen und könnte den Abend dann konzentriert genießen. Die urchgehende Bedienung bei der 23 Uhr Nachbühne würde ich sofort wieder abschaffen.

So sehr viel muss ich gar nicht mehr über die folgenden Stücke schreiben. Die Stimmung war unglaublich aufgedreht, das Publikum lachte und klatschte ständig, und die Wise Guys alberten total gut gelaunt herum. Es war dabei alles locker und nicht gewollt albern oder so geplant. Die Lockerheit zeigte sich dann auch in den Bewegungen, die wirklich frei und lässig waren, in den Blicken, die sie sich grinsend zuwarfen und in noch stärker als sonst ausgespielten Schauspieleinlagen.  Inzwischen war sowieso alles egal, und dass die Wise Guys nicht einfach losprusteten, wenn sie sich nur ansahen, war alles. Souverän gebrachte Chocolate Chip Cookies und ein umjubeltes When I’m 64 folgten, die Zuschauer reagierten mit Zwischenapplaus und gellenden Pfiffen.  

Bei Sing mal wieder suchte Dän während des Liedes die ganze Bühne nach dem Handmikro von Ferenc ab, guckte hinter die Seitenvorhänge und lief ständig mit großen Schritten hin und her. Sein Schulterzucken signalisierte gegen Ende des Liedes, dass Ferenc weiterhin nur mit Headset singen konnte, was kaum aufgefallen wäre, wenn Dän nicht diese aufwendige Suchaktion gestartet hätte. Eddi sang seine Leadstimme extrem temperamentvoll, als wolle er zeigen, wieviel Spaß ihm das Singen macht. Klasse! Träum vom Meer war diesmal etwas lauter und damit nicht ganz so sanft. Trotzdem wunderschön. Ein dickes Lob an die Wise Guys, die nach den albernen Lachanfällen von vorher für dieses Lied nochmal ganz ernst wurden.

Vor King of the road wurde zum Schnippen animiert. Dän redete so lange über die 1 und die 3 und den Offbeat, bis das nebenher laufende Schnippen versehentlich viel zu schnell geworden war. “Jetzt gehen aber hier die Pferde durch. Etwas bremsen!”, verlangsamte er das Tempo bewusst und kündigte dann an: “Das Lied singt unser Ferenc.” Ein freudiges Raunen ging durch das Publikum, und er feixte: “Jetzt konnten Sie nicht klatschen, weil Sie alle schnippen! Gut.”

Ferenc zog eine sehr lockere Show ab, war dadurch lässig und überzeugend, sein Bass war voll und tief, und seine Mimik war klasse. Am Ende wollte Dän ihn wieder in die Endlosschleife wickeln, indem er den Schlussakkord rauszögerte, aber nach viermaliger Wiederholung der letzten Zeile brach Ferenc spontan mit einem “Nee, da mach ich nicht mehr mit!” ab und ließ seine verblüfften Kollegen alleine weitersingen. Das Lied endete ziemlich ungewöhnlich und unter lautem Gelächter.
Dän lobte danach den Bass für seine "schwere Arbeit" und betonte überheblich lächelnd: “Dumdadum dumdum - ist wirklich schwer. - Dadumm.” Ferenc starrte ihn wortlos an. Dän: “Und immer auf dem gleichen Fleck stehenbleiben”, woraufhin Ferenc die Bühne zur Seite verließ und Eddi in einen Lachanfall ausbrach.

Dän erzählte seelenruhig weiter, dass das Pantheon die Lieblingsbühne der Wise Guys wäre. “1997 haben sie uns hier zum ersten Mal auf die Bühne gelassen. Damals noch um 20 Uhr.” Er dankte, dass so viele Zuschauer gekommen waren, eine Voraussetzung, dass die 23 Uhr Nacht-Bühne auch im nächsten Jahr fortgesetzt würde. “Vielleicht mit uns. Vielleicht auch nicht.” Eddi, der sich gerade beruhigt hatte, bekam einen erneuten Lachanfall. Unmittelbar danach kündigte Dän Schlag mich, baby an und ging sofort auf seine Position. Der völlig überrumpelte Sari kramte hektisch und erschreckt in seiner Hosentasche nach der Stimmpfeife, blies kurz hinein und musste gleich wieder abbrechen, weil er nur noch lachen musste und sich dabei bis fast zum Boden krümmte.

Als er sich endlich beruhigt hatte, stellten sich alle in Position und guckten ernst, in diesem Moment griff Clemens noch schnell in seine Jackentasche und setzte grinsend die Sonnenbrille auf, die er vergessen hatte. Die Zuschauer lachten sich fast weg und auch die Wise Guys sahen nicht mehr durchgehend ernsthaft aus. Als Ferenc während des Liedes mit hilflos amüsiertem Grinsen bemerkte, dass er nicht weit genug vorne stand, um Saris Armschwung in den Tanzszenen auszuweichen, so dass er gar nicht ausweichen musste, grinste er nur fröhlich ins Publikum und fand es so witzig wie die Zuschauer. Zum Abschluss gab es gellende Pfiffe, Getrampel und absolute Begeisterung.

Rasier dich bekam schon bei den ersten Tönen Jubelrufe vom Publikum, und ich guckte fasziniert zu, wie erstaunlich weich und elegant einige Wise Guys über die Bühne schwebten. Und das meine ich kein bisschen sarkastisch oder witzig. Es sah wirklich gut aus.

Golden Eye war spannend und witzig. Beeindruckend heftig warf Eddi seinen Haargummi mit Temperament zur Seite, (den er anschließend nicht wiederfand und darum auf dem Afterglow mehrere Leute nach einem Haargummi fragen musste), Dän blieb grinsend stehen und ließ Ferenc rückwärts gegen sich laufen, und der verschwand etwas später plötzlich hinter dem Vorhang und kam passend zur Musik an anderer Stelle mit Schwung wieder hervor. Alles extrem lustig, und ich habe noch nie morgens um 1 Uhr in einem Konzert so laut gelacht. Kann auch daran liegen, dass ich um diese Zeit noch nie auf einem regulären Konzert war.

Ein richtig guter Abschluss des Abends war Jetzt ist Sommer, bei dem man endlich von den unbequemen Stühlen aufspringen und sich heftig mitbewegen konnte. Das Theater sah auf einmal viel enger aus, überall im Zuschauerraum waren dichtgedrängte Köpfe zu sehen, und die Bühne wirkte klein. Es gab einen umjubelten Abgang, der von Pfiffen und Erdbebengetrampel begleitet wurde, dann ging es zum kleinen Afterglow ins Foyer.

Es war ein unglaublicher Abend, die Lieder nicht immer perfekt gesungen, aber mit so viel Spaß wie nie. Jedenfalls habe ich so viel gehäufte gute Laune und Fröhlichkeit selten erlebt. Ich will ab jetzt nur noch in Spätvorstellungen gehen.

Hier ein Abschlussbild, das nicht besonders gut, aber die perfekte Beschreibung der albersten und witzigsten Nacht im Pantheon ist. So was passiert, wenn man die Wise Guys morgens um 1 Uhr ohne Pause singen lässt:  


Liedliste:
 
Showtime
Mädchen lach doch mal
Deutscher Meister
Das wär’s gewesen
Kinder
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Powerfrau
Chocolate Chip Cookies
When I’m 64
Sing mal wieder
Träum vom Meer
King of the road
Schlag mich, baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer