Wise Guys - 22.12.2001 - WDR - Köln

Die Radio-Übertragung beim WDR hatte einen supergünstigen Termin: Am letzten Samstag vor Weihnachten um die Mittagszeit in der Kölner Innenstadt. Echt klasse geplant. Ich überlegte ernsthaft, ob ich mir eine Fahrt in die zugestopfte Stadt nicht lieber sparen sollte, aber für die Wise Guys tat ich ja die unmöglichsten Dinge. Außerdem zeigte es sich am Vormittag, bis in welche Grenzbereiche ich in meiner Wise Guys Liebe gehen kann, denn ich suchte auf meinem Radio lange nach WDR 4. Immer wieder drehte ich den Knopf ein Stückchen weiter und hielt an, sobald Schlagermusik an mein Ohr drang. Schreckliche Musik? Das könnte WDR 4 sein! So hörte ich Mireille Mathieu, Patrick Lindner und Michelle, und musste Reime erleben, die es eigentlich nicht geben dürfte. Brrrr! Es gab übrigens erstaunlich viele Sender, die schreckliche Musik spielten, aber gar nicht WDR 4 waren. Als endlich eine Damenstimme sagte: “Sie hören WDR 4”, jubelte ich laut los, was ich nie vorher gedacht hätte.

Um halb zwei am Mittag hatten sich die meisten Besucher der Live-Übertragung vor dem WDR-Gebäude eingefunden, durften eintreten, Jacken und Taschen abgeben und schließlich den ‘kleinen Sendesaal’ betreten. Schön altmodischer 60er-Jahre-Charme, etwa 150 gelb gepolsterte Sessel im rötlichen, holzvertäfelten Raum, supertolle altmodische Lampen an der Decke und auf seine Art gemütlich. An einer Seite des Saales war die halbhohe, geschwungene Bühne, auf der sechs blau gepolsterte Stühle wie für eine kleine Diskussionsrunde aufgebaut waren. Eine Stellwand trug die Aufschrift “WDR 4 - Schönes bleibt” und war aus Pappe, aber es war ja auch nur Radio und kein Fernsehen. Rechts und links auf der Bühne standen zwei Weihnachtsbäume, die mit großen bunten Schleifen, vielen WDR-Stoffmäusen, -elefanten und -enten geschmückt waren. Das Publikum war im Schnitt deutlich älter als sonst auf Wise Guys Konzerten und sah irgendwie WDRmäßig aus. (Wie man WDRmäßig aussieht, kann ich nicht in wenigen Worten beschreiben, aber es ist eine seltsame Mischung aus Beamter und Freiberufler.)

Kurz vor Beginn der Sendung kam die Moderatorin Gaby Lang auf die Bühne und gab letzte Anweisungen zur Live-Übertragung. Es sollte im Publikum keinesfalls ruhig bleiben, sondern “richtig was abgehen” und nach einer Klatsch-Übung, die sofort sehr überzeugend absolviert wurde, guckte die sehr zierliche Gaby Lang ganz böse und drohte: “Eins noch: Wer hier irgendwo im Saal ein Handy hat, das gleich lospiepst, der hat’s hinter sich!” Großes Gelächter, eine letzte Aufforderung: “Applaudieren Sie, sobald sich hier auf der Bühne irgendetwas bewegt!” und es ging los. Gespannt lauschten wir dem eingespielten Radioton, der die Wise Guys für die nachfolgende Sendung ankündigte, dann kamen die Nachrichten. Es ging um Afghanistan, neuartige Bomben, die mit Druckwellen Menschen töten und ich fand es total abartig, dass nach solchen Meldungen ein lustiges Wise Guys Interview anfangen sollte. Die Nachrichten gingen am Schluss aber zu den Schneefällen über, die den Verkehr lahmgelegt hatten und zu 120km langen Staus und 20 Stunden Stillstand auf der Autobahn. Dann ging’s endlich los.

Gaby Lang kam auf die Bühne, kündigte einen ganz besonderen WDR 4 Startreff im rappelvollen Sendesaal an, einen wahren Genuss für die Ohren, und unter jubelndem Applaus traten die Wise Guys in ihren schwarzen Bühnensachen auf, stellten sich neben die Sitzgruppe und guckten grinsend ins Publikum. Ich saß in der dritten Reihe und hatte das Gefühl, sie wären bei mir im Wohnzimmer. Super! Sari gab den Ton nochmal an, den sie im langen Auftrittsapplaus verloren hatten und es ging mit Showtime los. Neben der Sitzgruppe. Obwohl es Radio war, bewegten sie sich wie bei einem normalen Auftritt und so hatten die Zuschauer im Sendesaal auch was für die Augen. Die Stimmung war sofort sehr gut. Gaby Lang guckte von ihrer Sitzecke aus angespannt lächelnd ins Publikum, um zu sehen, wie es ankam, aber sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, denn nach dem Lied wurde sofort weitergejubelt.

Die Wise Guys sangen Das Leben ist zu kurz, das Publikum lachte laut und locker, es gab Szenenapplaus wenn es besonders lustig war, und ich freute mich riesig, dass wir dort saßen und das miterlebten. Es war unerwartet gut und richtig klasse. Auch die Wise Guys lachten locker und schienen gut gelaunt, weil es wirklich sofort ‘abging’. Dän machte kurze Anmoderationen und alles kam sehr gut an. Beim letzten Satz des Liedes “... das Leben ist zu kurz für RTL Zwei.” war ich froh, dass Dän nichts mit “... zu kurz für WDR Vier.” gereimt hatte, denn das wäre in diesem Fall ungünstig gewesen. Bei Meine heiße Liebe machten die Jungs im Hintergrund so eine witzige Show, dass das Lachen des Publikums manchmal schon so laut wie bei einer Comedy-Show klang. Bei der späteren Übertragung waren die Zuschauerreaktionen während der Lieder aber herunter gepegelt, so dass sie kaum zu hören waren. Erst beim Beifall nach dem Lied wurde wieder die Originallautstärke eingeblendet. Wäre sonst für die Hörer am Radio auch ziemlich blöd gewesen.

Noch während des letzten Applauses wurden die Wise Guys von der Moderatorin schnell zur Sitzecke gewunken. Sie saß auf einem der Sessel in der Mitte und die Jungs setzten sich auf die freien Plätze um sie herum. Fröhlich sagte sie: ”Das ist nett, dass ihr euch hier so im Halbkreis um mich herumgruppiert. Zwei Herren zu meiner Rechten, drei zu meiner Linken.” Naja. Wo sollten sie sich wohl sonst hinsetzen? Ferenc gab ein erstauntes Grunzen von sich und alle lachten los. Dann gab es Interviewfragen wie: “Hättet ihr damals geglaubt, dass ihr so erfolgreich werdet?” “Waren die Prinzen euer Vorbild?” “Wie seid ihr nach Washington gekommen?” “Wie hat euch dort das Kölsch geschmeckt?” Also völlig neu, ganz ungewöhnlich und höllisch interessant. (Warum schaffen es die meisten Interviewer eigentlich nicht, mal wirklich gute Fragen zu stellen?)

Schön war aber, wie in der Sitzecke die Blicke konzentriert hin und herwanderten, wer die Frage beantworten sollte, damit nicht mehrere gleichzeitig losquatschten. Außerdem saßen alle zwar ganz cool und lässig in ihren Sesseln, lachten locker, nippten an ihren Wassergläsern, waren aber trotzdem leicht angespannt und guckten extrem aufmerksam, denn jedes Wort wurde live übertragen und niemand wollte sich blamieren. Gaby Lang schickte sie dann am Ende des Interviewteiles, während sie noch sprach, mit wedelnden Handbewegungen auf die Bühne zurück und die Wise Guys gingen ganz schnell und leise, fast wie auf Zehenspitzen, zu ihrer ‘Singseite’ zurück.

Weiter ging es mit Wenn sie tanzt, das sehr ruhig und sanft gesungen wurde und die Zuschauer im Sendesaal ganz still werden ließ. Schööön. Mädchen, lach doch mal brachte wieder lachende Stimmung, auch wenn Eddi und Sari mit ihren Kängurubeutelfelltrommeln nicht donnernd über den Holzboden des Sendesaales hüpften, sondern weitgehend auf der Stelle trommelten. Unerwartet gab es danach eine kurze Pause, in der im Radio die langen Staumeldungen verlesen wurden. Das Publikum unterhielt sich murmelnd und die Wise Guys standen ungewohnt tatenlos auf der Bühne, tranken mal einen Schluck Wasser und warteten ab.

Eigentlich hatte ich ganz viele Interviewfragen und wenig Livemusik, dafür aber Einspielungen von CD erwartet, aber die Stunde beim WDR erwies sich als kleines, sehr feines Konzert. Sensationell hatte inzwischen glücklicherweise einen ganz annehmbaren Schluss und ich grinste vor mich hin, weil ich daran dachte, wie peinlich es mit der früheren Version geworden wäre, wenn es am Ende des Liedes mal wieder keinen Applaus gegeben hätte. Und das live im Radio! Bei Nein, nein, nein wurde heftig gelacht und am Ende sehr schön mitgeklatscht. Da merkte man, dass doch einige Fans den Weg ins Studio gefunden hatten, auch wenn das laute, überraschte Gelächter an vielen Textstellen zeigte, dass es sehr viele Ersthörer gab.

Zum zweiten Interviewteil gruppierten sich die Wise Guys wieder ‘ganz überraschend um die Moderatorin herum’ auf die freigebliebenen Sitze und bekamen weitere originelle Fragen gestellt. Diesmal waren sie allerdings schon wesentlich lockerer, weil wirklich alles glatt und lustig ablief. “Wie seid ihr in Düsseldorf angekommen?” “Woher habt ihr die Textideen?” “Könnt ihr von eurer Musik leben?” Als die Wise Guys zu ihrem Status als Studenten befragt wurden, verzogen sie peinlich berührt das Gesicht, denn das waren völlig veraltete Informationen von ihrer Homepage. Tja, da sag ich mal nichts zu. Die brisanteste Frage war die nach dem peinlichsten Bühnenerlebnis, das für Ferenc der nicht stattgefundene Auftritt in der Köln-Arena war, als die Anlage plötzlich ausfiel. Dän fand es peinlich, als die Wise Guys bei einer Homosexuellen-Veranstaltung aufgetreten waren, und Eddi schilderte ergänzend das Outfit der Besucher: “die hatten so Ketten um und sonst nichts”. Dän warf ein: “... die Traumfrau entpuppt sich als Dieter” und Gaby Lang saß extrem angespannt mit eingefrorenem Lächeln auf ihrem Sessel. Sowas zur Mittagszeit bei WDR 4! Clemens erzählte die Schlusspointe, das Publikum lachte vergnügt und Gaby Lang schickte die Wise Guys lieber wieder zum Singen, ehe die noch auf ganz andere Stories kamen.

Jetzt ist Sommer folgte und wurde sofort richtig gut mitgeklatscht. Im Applaus signalisierte Eddi stumm fragend “Noch eins?”, erhielt ein Nicken und es gab mit kurzer Ansage Golden Eye, das auch ohne Lichtshow toll war. Besonders witzig, als Eddi während des Liedes mit ernsthafter Miene eine der kleinen WDR-Stoffenten aus dem Weihnachtsbaum nahm, bedrohlich ins Publikum zielte und dann wirklich warf. Allerdings hob er am Ende des Liedes entschuldigend die Schultern und guckte ganz kleinlaut, ob jemand meckern würde. In den großen Applaus am Schluss hinein, der mit Johlen, Klatschen und Getrampel wirklich laut war, verabschiedete Gaby Lang die Wise Guys, die zum Abschluß noch jahreszeitgemäß ein Weihnachtslied sangen. Sie holten dazu sogar Notenblätter raus, denn so ganz auswendig saß es nicht. Wenn doch immer Chreesdach wör war ein Lied der Bläck Fööss und gefiel mir sehr gut. Schön ruhig gebracht und zum Schluss hin immer lustiger und damit witzig und passend für die Wise Guys.

Während dann für die Hörer am Radio der kleine Sendesaal aus- und zum Abspann ein paar Takte ‘Jingle Bells’ Klarinettengedudel eingeblendet wurden, ging im kleinen Sendesaal das Konzert weiter. Gaby Lang signalisierte, dass noch Zeit wäre und die Wise Guys sangen zur Begeisterung des Publikums When I’m 64. Danach erhielt jeder von ihnen ein Lars-der-Eisbär-Stofftier und sie wurden von WDR-Mitarbeitern rausgeleitet. Das Publikum klatschte fordernd weiter, brüllte “Zugabe” und tatsächlich kamen die Wise Guys nochmal zurück und sangen in üblicher erotisch-athletischer Weise Schlag mich, baby. Wirklich klasse.

Ich war extrem gut gelaunt und hatte eine richtig schöne Stunde verbracht. Aber es ging sogar noch weiter. Völlig überraschend wurde ein Afterglow im WDR-Foyer angekündigt, bei dem es Kaffee, Kuchen, Glühwein und Autogramme geben sollte. Die Wise Guys gingen wieder nach rechts durch die Türe ab und die Zuschauer erhoben sich und gingen am Weihnachtsbaum vorbei (davor stand eine WDR-Mitarbeiterin, die vermutlich aufpassen musste, dass nicht noch jemand eine Ente entfernte) ins Foyer. Es war total viel los, ich trank einen leckeren Glühwein, probierte ein Stück Kuchen, unterhielt mich etwas und machte mich dann auf den Weg nach Hause. Dort hatte ich Zeit für einen Cappuccino, bevor es sofort weiterging zum nächsten Wise Guys Termin im Bonner Pantheon.

Liedliste:

Showtime
Das Leben ist zu kurz
Meine heiße Liene
Wenn sie tanzt
Mädchen lach doch mal
Sensationell
Nein, nein, nein
Jetzt ist Sommer
Wenn doch immer Chreesdach wör

When I'm 64
Schlag mich, baby